DOMRADIO.DE: Sie sind trotz Krieg und Gefahr ins Heilige Land gereist. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Bischof Dr. Heiner Wilmer (Bischof des Bistums Hildesheim und Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax): Die Entscheidung ins Heilige Land zu reisen, ist am Sonntag gefallen, nachdem ich gehört hatte, dass es wieder möglich ist dorthin zu reisen, um bei den Menschen zu sein und Solidarität zu zeigen.
Es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass wir als Katholiken gerade auch von Deutschland aus da sind. Wir sind bei euch, wir sehen euer Leid, eure Not. Mir ist es wichtig, mit den Menschen zu sprechen, allen Seiten zuzuhören, den Angehörigen der Opfer zu begegnen und einfach da zu sein.
DOMRADIO.DE: Am 9. November waren Sie in der Gedenkstätte Yad Vashem. Wie haben Sie diesen Besuch wahrgenommen? Was hat Sie an diesem Ort bewegt?
Wilmer: Es war schon sehr speziell. Wir waren zu spät dort, obwohl wir früh losgefahren sind, um pünktlich zu sein. In der Nähe hatte eine Beerdigung mit 5.000 Menschen stattgefunden. Es gab ein großes Verkehrschaos. Man hatte zuvor eine Soldatin erstochen, sie wurde unter großer Anteilnahme beerdigt.
Als wir an der Gedenkstätte ankamen, war es gespenstisch leer. Ich war vor zehn Jahren schon mal da gewesen. Damals waren Hunderte Menschen dort. Jetzt waren es höchstens zehn Leute. Wir haben dort einen Kranz im Namen der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland und der Bischofskonferenz niedergelegt.
"Es war für mich sehr bewegend, noch einmal zu sehen, wie der Antisemitismus, wie der Judenhass in Deutschland begonnen hatte und welche Formen er angenommen hatte."
Es war für mich sehr bewegend, noch einmal zu sehen, wie der Antisemitismus, wie der Judenhass in Deutschland begonnen hatte und welche Formen er angenommen hatte. Am meisten berührt hat mich die Kindergedenkstätte, das Children Memorial. Das geht schon unter die Haut.
DOMRADIO.DE: Was steht sonst noch auf dem Programm? Welche Begegnungen haben Sie geplant?
Wilmer: An diesem Freitag treffen wir den Apostolischen Nuntius. Wir treffen auch den Lateinischen Patriarchen, vorher noch die Kommission Justizia et Pax aus dem Heiligen Land.
Gestern haben wir jüdische Vertreter getroffen. Wir waren am Grab von Oskar Schindler in der Nähe der Dormitio Abtei. Diesen Nachmittag werden wir muslimische Vertreter treffen. Am Abend werden wir den Gottesdienst mit Migranten in Tel Aviv feiern.
Wir werden von Jerusalem nach Tel Aviv fahren und morgen werden wir in Tabgha am See Genezareth sein, um mit vielen Christinnen und Christen aus der Gegend am Brotvermehrungsfest teilzunehmen.
Gestern Abend haben wir übrigens noch einen Priester aus Gaza getroffen, der uns hautnah vom Bombardement und vom Leid auf allen Seiten erzählte.
DOMRADIO.DE: Sie sind Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Im Heiligen Land ist derzeit weder Frieden noch Gerechtigkeit zu Hause. Kann die christliche Friedensbotschaft da einen Weg zu Frieden aufzeigen?
"Für mich heißt der Weg Jesu, Präsenz zu zeigen. Also gar nicht viel zu reden, sondern einfach erstmal da zu sein."
Wilmer: Ich persönlich bin zutiefst überzeugt, dass der Weg Jesu eine großartige Perspektive ist. Für mich heißt der Weg Jesu, Präsenz zu zeigen. Also gar nicht viel zu reden, sondern einfach erstmal da zu sein.
Es geht darum, den Menschen in die Augen zu schauen, ihnen zuzuhören, bei ihnen zu sein, sich die Lage erzählen zu lassen, sie zu verstehen, um dann auch zu verstehen, worin die Ängste bestehen und was die Leute zu Gewalt bewegt.
Wichtig ist aber auch, die Betroffenenperspektive einzunehmen. Für mich heißt die Botschaft Jesu im Kern, dass die Botschaft vom Kreuz und von der Auferstehung uns sagt, das Gewalt und Hass eben nicht das Ende sind, sondern dass es begründete Hoffnung gibt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie eigentlich Angst vor den Gefahren im Kriegsgebiet und wie gehen Sie damit um?
Wilmer: Panische Angst hatte ich nicht und habe ich nicht. Mich haben aber im Vorfeld privat und auch im beruflichen Umfeld zahlreiche Leute vor der Reise gewarnt. Sie meinten, ich solle bloß nicht fahren.
"Ich habe schon einen gewissen Respekt, um nicht zu sagen einen gewissen Bammel vor der Fahrt über Land."
Ich habe schon einen gewissen Respekt, um nicht zu sagen einen gewissen Bammel vor der Fahrt über Land. Das bezieht sich auch auf unser Team und die ganze Delegation. Ich hoffe, dass alles gut geht. Ich bete auch dafür.
Wir waren an diesem Freitag am Heiligen Grab in Jerusalem und um 5.30 Uhr ganz früh in der Grabeskirche und haben dort den Gottesdienst, die Auferstehungsmesse von Ostern gefeiert. In diesem Gebet suche ich auch meinen Halt und meine Zuversicht.
Das Interview führte Tim Helssen.
Heiner Wilmer
Heiner Wilmer wurde am 9. April 1961 in Schapen im Emsland geboren und wuchs auf einem Bauernhof auf. Nach seinem Abitur 1980 am Leoninum in Handrup, einem Gymnasium in Trägerschaft der Herz-Jesu-Priester, trat er ins Noviziat des Ordens in Freiburg ein.
Von 1981 bis 1986 studierte er Theologie in Freiburg sowie Romanistik in Paris. 1987 weihte ihn der Freiburger Erzbischof Oskar Saier zum Priester. Im Anschluss ging er nach Rom an die Päpstliche Universität Gregoriana, um dort Französische Philosophie zu studieren.
Author: Dr. Marcus Alvarez MD
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